Ich habe bereits eine gesellschaftliche Transformation miterlebt: Perestrojka – Transformation der in der Sowjetunion etablierten politisch-ökonomischen Institutionen zu einer, so die Vision, freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung. Diese Vision ist bislang nicht realisiert worden.
- Die Perestrojka in der Sowjetunion verfolgte ein vollkommen berechtigtes Ziel: ein in vielen Hinsichten ungerechtes Institutionengefüge der Sowjetunion, das in sehr viele Lebensbereiche der Menschen eingriff und das einen im Durchschnitt relativ zu westeuropäischen Ländern geringen materiellen Wohlstand generierte, derart zu transformieren, dass zumindest die offensichtlichen Missstände beseitigt werden.
- Die Umsetzung der Perestrojka führte jedoch nicht zum angestrebten Ziel, sondern zu einem nicht-intendierten Insititutionengefüge in den ehemaligen Sowjetrepubliken, mit vielen fatalen Konsequenzen.
Die frühzeitig industrialisierten Länder wie Deutschland befinden sich heute ebenfalls in einer Situation, in der eine umfassende Transformation geboten ist:
- Es ist nicht sinnvoll bestreitbar, dass die Lebens- und Wirtschaftsweise der früh industrialisierten und heute relativ wohlhabenden Volkswirtschaften – daunter auch Deutschland – ungerecht gegenüber zukünftigen Generationen sowie vielen Menschen in den Ländern des Globalen Südens ist.
- Eindringliche Indizien für die Ungerechtigkeiten sind:
- Diese Indikatoren belegen nicht unmittelbar die Ungerechtigkeitsbehaupung. Es bedarf noch einer Begründung, warum diese Zahlenangaben intergenerationell und global ungerecht sind. Details dieser Begründung sind diffizil, ich habe in mehreren Publikationen mich bemüht, sie zu klären. Der Grundgedanke der Begründung ist der folgende:
- Das Ausmaß, in dem die heute lebende Menschheit Flächen nutzt, Rohstoffe abbaut und durch Verarbeitung von Ressourcen Emissionen freisetzt, gefährdet das Wohlergehen der zukünftigen Generationen. Die heutige Menschheit ist gleichwohl in der Lage, das Ausmaß der Eingriffe in ökologische Systeme derart zu reduzieren, dass die Gefährdung des Wohlergehens der zukünftigen Generationen unterlassen wird, ohne ihr eigenes Wohlergehen dadurch zu gefährden.
- Frühzeitig industrialisierte Länder tragen überproportional viel zum Ausmaß, in dem die Menschheit in die ökologischen Systeme eingreift. Es ist nicht ernsthaft wünschenswert, dass alle Menschen weltweit die Möglichkeit haben, in die ökologischen Systeme in dem Ausmaß einzugreifen, in dem ein*e durchschnittliche*r Bewohner*in in den früh industrialisierten Ländern eingreift.
- Aus diesem Grund ist es erfordelich, die Lebens- und Wirtschaftsweise in einem Land wie Deutschland so zu verändern, dass die Nutzung ökologischer Systeme im Durchschnitt in einem Ausmaß erfolgt, der sicherstellt, dass auch bei einer weltweiten Nutzung natürlicher Systeme in diesem Umfang künftige Generationen nicht gefährdet werden.
- Das bedeutet, dass die Ressourcenmenge, die in frühindustrialisierten Ländern, in einer Zeitperiode verbraucht wird, drastisch reduziert wird.
Mich treibt nun die Frage um: Wie kann es nun vermieden werden, dass die westeuropäischen Gesellschaften angesichts des Erfordernisses einer Transformation die Erfahrung der Sowjetunion – erst verschleppen, dann, wenn die negativen Auswirkungen des bestehenden Systems sich deutlich bemerkbar machen, eine Ruckartige, von oben durchgesetzte radikale Reformpolitik einsetzen – wiederholen?